AUSSENANSICHT (Von Norbert Bangert, für schlossjournal.de) Nun ist sie also raus, die sogenannte „Giftliste“ für Hückeswagen. Bürgermeister Dietmar Persian hat am vergangenen Montag eine Liste vorgestellt, in der Maßnahmen aufgeführt sind, mit denen nach Meinung der Stadtverwaltung Einsparungen erzielt werden können, um die massive Erhöhung der Grundsteuer B zumindest einzudämmen. Da mein „Auftrag“ in dieser schlossjournal.de-Kolumne darin besteht, einen Blick von außen auf diese Liste zu richten, möchte ich zunächst diese Perspektive einnehmen. Die Kernfrage ist also: Wird Hückeswagen für den Besucher von oder den Wohnungssuchenden in Hückeswagen durch die Einsparmaßnahmen unattraktiver? Wird Hückeswagen im Wettbewerb mit den umliegenden Städten geschwächt?
1) Grundsteuer B: Egal, welche Studie oder Umfrage man sich umschaut: Die Grundsteuer B ist niemals das oberste und erste Kriterium für die Wahl des Standortes. Es sind dieses die Verkehrsanbindung (Wie komme ich zur Arbeit?), Schulen (Hat mein Kind die wichtigen Schulformen in der Nähe?) und Wohnqualität des unmittelbaren Umfelds (Lage und Einkaufsmöglichkeiten). Egal ob 375 Punkte oder 580 Punkte, einen Einfluss hat dieses mit Sicherheit kaum. Fazit: Nur geringer Einfluss
2) Parkplatzgebühren: Hierzu hat der Hückeswagener Michael Kloeber eine ausführliche Stellungnahme auf Facebook geschrieben. Auch wenn ich nicht alles teile, hat er äußerst starke Argumente auf den Punkt gebracht. Daher möchte ich daraus in Auszügen zitieren:
„Parkgebühren werden viele Hückeswagener Geschäftsleute treffen. Ich werde dann z. B. nur noch bei Aldi Kobeshofen, im Fleischmarkt und bei Lidl Wipperfürth einkaufen. Auch andere Discounter haben eigene, gebührenfreie Parkplätze. Und was man sonst hier in den wenigen, noch vorhandenen Geschäften kaufen konnte, bekommen die Menschen auch im Internet – und das oftmals billiger. Hückeswagen nicht Köln oder Wuppertal. Die Auswahl an Geschäften hier ist ohnehin nicht sehr groß und mit dieser Aktion vergrault man noch die letzten Kunden. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Punkt der Agenda Hückeswagen ein “Rohrkrepierer” werden wird und die wenigen, noch verbliebenen Geschäftsleute, entweder um gebührenfreie Parkplätze betteln werden oder einige Geschäfte schließen müssen.“
Anderseits muss man natürlich sehen, wenn ich als Kunde ein bestimmtes Geschäft aufsuchen will, weil ich etwas Bestimmtes haben möchte, dann tue ich das auch. Ich werde mich im Zweifelsfall von den Parkgebühren nicht beeinflussen lassen, allenfalls versuche ich dort zu parken, wo es keine Gebühren kostet. Spielwaren Heinhaus ist so ein typisches Geschäft, was auch von außen angesteuert wird. Wenn der Sohnemann quäkend hinten im Auto sitzt und das Game haben will, dann zahl ich halt Parkgebühren. Fazit: Kann Einfluss haben, muss aber nicht.
3) Stadtbibliothek: So leid es mir tut (als Fan von Bibliotheken, Büchern und überhaupt als Historiker), ob es in einer Stadt eine Bibliothek gibt oder nicht, ist meiner Meinung nach als Kriterium für die Wohnortwahl fast zu vernachlässigen. Die Medienbeschaffung funktioniert heute anders, Buchhandlungen und auch die Mitarbeiter der Bibliotheken wissen es im Grunde genommen auch. Es gibt viele Argumente, eine solche Einrichtung aus sozialen Gründen zu erhalten (Treffpunkt, preisgünstige Medien, etc.) Doch das ist die Innensicht, bei der Wohnortauswahl spielt es so gut wie keine Rolle. Fazit: So gut wie keinen Einfluss.
4) Brücke „Brückenstraße“, dem Ordnungsdienst und dem Verwaltungspersonal
Hier kann ich mich kurz fassen, alles das sind Dinge, die für den in der Stadt lebenden Bürger wesentlich wichtiger sind als für einen Außenstehenden. Die Brücke ist nun wahrlich kein wichtiges Infrastrukturbauwerk für Hückeswagen. Unangenehm sind natürlich ein reduziertes Sicherheitsgefühl und längere Wartezeiten im Amt. Fazit: So gut wie keinen Einfluss
Von außen betrachtet halten sich die negativen Einflüsse also eher in Grenzen, einzig das Thema Parkplatzgebühren sollte nochmal überdacht werden. Die Einführung von solchen wird eine mit hoher Wahrscheinlichkeit sich negativ auswirkende Veränderung des Parkverhaltens herbeiführen und können theoretisch auch für Außenstehend abschreckend sein.
Mit diesen Sparvorschlägen ist man immer noch nicht am Limit und wirklich schmerzhaft ist es auch nicht, da sind andere Städte ganz anders dran.
Ich sehe da eine ganz andere Gefahr, und zwar auf einer übergeordneten Ebene. Mit dem Vorstoß der Bürgerinitiative wurde zunächst die Büchse der Pandora geöffnet, indem nach erfolgreichem Protest jede andere Gruppe nun versucht zu erklären, warum bei ihm gerade nicht gespart werden soll. Darüber hinaus führten die Proteste zu einer Reaktion bei der Politik, indem mindestens zwei Parteien einen einmal gefundenen Haushaltskompromiss aufgekündigt haben. Ich will nicht bestreiten, dass die Parteien jede für sich gute Gründe für das Verhalten haben, doch diese neue Uneinigkeit ist das schlimmste Signal, was man aussenden kann, sowohl nach innen also auch nach außen. Was waren die Hückeswagener stolz, dass nicht alles drunter und drüber geht wie in Remscheid, wo vor wenigen Jahren Politik und Verwaltung im Kollektiv versagt haben. Weg ist die Einigkeit: Die Bürgerinitiative greift schon seit Wochen Grasemann von der SPD an, die Genossen wiederum schimpfen über die FDP, und die Liberalen konnten die Grünen sowieso noch nie leiden. Die Klammer, die alles zusammengehalten hat, droht sich aufzulösen und das gerade mal ein Jahr nach dem Weggang von Uwe Ufer. Wenn die Politik und die Bürger jetzt nicht gemeinsam gegensteuern, kann dieses böse Folgen haben. Und da ist jetzt jeder in der Verantwortung, auch die Bürgerinitiative. Von ihr kann man nun erwarten, dass sie sich konstruktiv einbringt und beispielsweise den Freundeskreis der Stadtbibliothek bei der Erstellung eines Zukunftskonzeptes unterstützt. Tut sie es nicht, kündigt sie das Solidarsystem in der Stadt auf, genau wie die anderen Bürger, die in den nächsten Wochen und Monaten gedenken, nur an sich zu denken.