Die Lehren aus dem Vorgang Stadtbibliothek: Wertschätzung bei Verlustandrohung

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AUSSENANSICHT Von Norbert Bangert für schlossjounal.de. Vorweg gesagt, es sind tolle Aktionen: Die zehnjährige Katharina Finke will die von der Schließung bedrohte Stadtbibliothek mit einem Gedicht retten, so berichtet es der RGA am 9. Mai. Der Vorsitzende des Freundeskreises der Stadtbibliothek Dr. Rainer Hartmann und der Schriftführer Dr. Axel Bornkessel verfassen einen Offenen Brief und rufen die Politik zur Unterstützung herbei. Die Bergische Morgenpost berichtet am 25. April 2015 von einer Welle der Solidarität, als Prof. Tom Becker von der Fachhochschule Köln einen Vortrag zu neuen Formen der Bibliotheksverwaltung hielt.

Das alles ist in Gang gekommen, nachdem die Stadt Hückeswagen ankündigte, ab 2020 das aktuelle Angebot der Stadtbibliothek so nicht mehr aufrechterhalten zu können. Dieses wiederum war Folge der Rücknahme des Haushaltsentwurfs durch den Bürgermeister Dietmar Persian als Verwaltungschef, der sich veränderten Mehrheitsverhältnissen stellen musste. Diese wiederum hatten sich verändert, weil zwei Parteien nach Bürgerprotesten (CDU und FDP) durch eine Bürgerbewegung ihre Position verändert haben. Und schon zuvor hatte die FaB den Vorschlag verbreitet, den Standort der Bibliothek zu verändern.

Nun darf man über die Motive der Bürgerbewegung sicher spekulieren. Es war natürlich, und das sagte schon der Titel der Bewegung „Wir lassen und nicht abspeisen“, ein eigennütziges Motiv. Ein zunächst einmal ganz normaler Vorgang und entspricht einem menschlichem Verhalten. Die Menschen protestierten gegen die starke Erhöhung der Grundsteuer B, dem dann auch mit dem Zurückziehen des Haushaltsentwurfs Rechnung getragen wurde. Der Führungsspitze der Bewegung dürfte mit Sicherheit aber auch nicht entgangen sein, dass einige Menschen im Umfeld, zwar Verständnis für die Forderung zeigten, nun aber auch solidarisches Handeln einfordern. Ich persönlich, der in dieser Kolumne die Aufgabe hat, von außen auf die Sache zu schauen, habe in einem Beitrag auf schlossjournal.de auch gefordert, dass die Bürgerinitiative nun dem Freundeskreis helfen soll und bei dieser Position möchte ich bleiben.

Aber im Kern möchte ich heute, Mitte Mai 2015 einmal folgendes festhalten: Erst, nachdem die Proteste erfolgten und die Stadt mit Einschränkungen drohte, ist bezüglich der Stadtbibliothek etwas in Bewegung gekommen. Vorher hatte man sich in der Einrichtung bzw. im Umfeld darauf verlassen, dass es immer so weiter gehen würde mit der Bibliothek: Ein Angebot, das sozusagen finanziellen und institutionellen Bestandsschutz hatte, um das man sich keine Sorgen machen musste. Die Menschen im Freundeskreis hatten aber schon vorher eine Schippe draufgelegt: Durch viele Aktionen und Veranstaltungen haben sie versucht, die Attraktivität der Bibliothek zu verbessern. Deren Wiederstand gegen die Pläne der Stadtverwaltung ist nachzuvollziehen und – ich gebe es zu – ich sympathisiere damit, weil ich halt auch viele Menschen aus diesem Vereinsumfeld kennen- und schätzen gelernt habe. Daher sehe ich die Bürgerinitiative in der Pflicht, dem Freundeskreis nun etwas zurückzugeben.

Und trotzdem muss man an dieser Stelle fragen: Warum kommt die Wertschätzung der Bürger immer erst dann, wenn der Verlust droht? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Es ist genauso wie bei dem Motiv der Bürgerbewegung: Ein zutiefst menschliches Verhalten. Vieles wird in unserem Leben als selbstverständlich hingenommen: Die Straßenkehrmaschine und Müllabfuhr, die den Dreck wegmacht, der Postbote, der das Päckchen von Amazon bringt oder die Tankstelle, die selbstverständlich samstags um 23 Uhr offen hat. Es ist eben nichts selbstverständlich, übrigens auch nicht die Demonstrationsfreiheit.

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